Indien

Welcome to India

Eine kleine Maschine der Gulf Air brachte mich von Muskat nach Bahrain wo ich einen dreistündigen Aufenthalt hatte. Im anschliessenden Nachtflug von Bahrain nach Mumbai konnte ich zwischen diversen Sitzreihen auswählen. Es hatte nur sehr wenige Passagiere, was das Reisen natürlich angenehmer machte. Diesmal machte ich mir auch keine grossen Sorgen wegen meinem Rad, hatte ich es doch sicher in einem Radkarton verpacken können.
 
Das erste indische Chaos bekam ich gleich nach der Landung bei der Gepäckausgabe zu spüren. Das Gepäck aus sechs Fliegern wurde auf einem einzigen Förderband ausgespuckt, die zwei daneben blieben leer. Es dauerte seine Zeit bis ich mein Rad und das restliche Gepäck gefunden hatte. Zeit hatte ich aber genug, da der Flug von meinem Bruder Matthias in London gestrichen wurde aufgrund technischer Probleme. Er kam mit einem Tag Verspätung an.
 
So machte ich mich auf den Weg um mit einem Taxi in ein nahegelegenes Hotel zu gelangen. Natürlich wurde ich komplett übers Ohr gehauen, was mir aber erst später bewusst wurde. Ich hatte ja noch keine Ahnung was ungefähr wieviel kostet. Die kurze Taxifahrt gab schon einen kleinen Eindruck, das hier alles anders ist. Ich war aber viel zu müde und realisierte noch gar nicht so recht, das ich tatsächlich in Indien bin. Ich war seit über 30 h wach und brauchte zuerst einmal Schlaf.
 
Mumbai
 
Geweckt wurde ich von lauten Trommeln, Musik und Gesang. Keine Ahnug was das war und sehen konnte ich nichts, Fenster gab es keines im Zimmer :) Es war mittlerweile dunkel geworden und auf der Strasse vor dem Hotel war Party angesagt. Mir wurde gesagt es sei der letzte Tag eines 12 tägigen Festivals in Mumbai. Aus der Einfahrt vom Hotel beobachtete ich das Treiben, wurde aber trotzdem bald von den Kids erkannt und umringt. Sie stellten mir dieselben Fragen die uns noch den ganzen Monat begleiteten: what's your name? How are you? und where are you from? Dabei will jeder die Hand schütteln und dieselben Fragen nochmals stellen. Welcome to India dachte ich mir :)
 
Am nächsten Tag war es soweit. Mein Solotrip hatte wenigstens für einen Monat ein Ende und ich empfang Mättens. Die Freude war gross, erstens wegen dem Wiedersehen und nochmehr wegen dem einem Monat Indien der uns bevorstand. Wir konnten die Radkartons im Hotel lassen  und bald befanden wir uns auf den Strassen Mumbais. Unser Ziel war der Stadtteil Colaba, der sich ganz im Süden der Stadt befindet. Die Megacity hat so ungefähr 18 Millionen Einwohner und demenstsprechend auch Verkehr. Endlich wiedermal in einem Land wo auch Rad gefahren wird, aber Fahrradwege sucht man natürlich vergebens ;) Es war ein richtiges Abenteuer und man braucht einige Nerven um heil durch dieses Durcheinandern zu kommen. Es gilt Linksverkehr, es wird gefahren wo es Platz hat, überholt wird links und rechts und es herrscht ein pausenloses Hupkonzert. Dabei gilt es den langsameren Verkehrsteilnehmer wie, Fussgänger, Schubkarren, indischen Radfahrern und den Kühen auszuweichen ohne dabei über den Haufen gefahren zu werden :) Es ist ziemlich anstrengend so zu fahren aber unglaublich spannend. Man könnte alle 5 Meter anhalten und ein Foto schiessen. Unterwegs kamen wir gerade noch an einem Umzug mit einem Elefanten vorbei, den wir uns nicht entgehen lassen wollten. Als mich ein Polizist aufforderte mein Rad auf dem Gehweg zu platzieren schlug ich mit einer Pedale am Bordstein an. Ein Missgeschick, was uns noch ziemlich Nerven kostete, aber dazu später mehr. Nach der Parade waren wir bald in Colaba und beim Wahrzeichen von Mumbai, dem Gateway of India. Hier suchten wir uns ein Hotel, von wo wir die nächsten Tage die Stadt erkunden wollten. Wir waren nun defintiv in Mumbai angekommen.
 
Ich wurde von vielen anderen Travellern, vor der Ankunft in Indien, auf die Armut und die vielen Bettler hingewiesen. Dementsprechend hatte ich ein ziemlich schlimmes Bild im Kopf, dieses wurde aber der Realität nicht gerecht. Man sieht zwar pausenlos Leute die ohne Dach über dem Kopf und in einfachen Zelten auf der Strasse leben, aber angebettelt wurden wir nur den touristischen Orten. So hart wie es klingen mag, aber wir haben uns sehr schnell an die omnipräsente Armut gewöhnt. Man trinkt in der Bar ein Bier und draussen vor der Tür schlafen sie auf der Strasse, aber das ist wohl Mumbai. 
 
Wir haben uns natürlich das Gateway of India angeschaut, waren auf dem Malabar Hill, haben die riesige Openair Wäscherei gesehen, waren an einem Cricketspiel und besuchten den riesigen Crawford Market. Am meisten Spass machte es allerdings in eine Rikscha zu steigen und so eine Art Stadtrundfahrt zu machen. Das kostet fast nichts und man sieht wirklich so einiges:) Wir waren auf jedenfall begeistert vom busy busy Mumbai und hatten ein paar super Tage. Aber es juckte uns beide schon in den Waden und wir wollten weiter. :)
 
1. Versuch Mumbai zu verlassen
 
Per Fähre verliessen wir am Gateway of India Mumbai um weiter südwärts radeln zu können. Nach 90 Minuten erreichten wir wieder Festland und waren beide erstmal baff. Von der riesen Metropole waren wir auf einmal in einem dschungelähnlichen Gebiet angelangt. Eine schmale Strasse führte durch die links und rechts grüne Landschaft und durch ein erstes kleines Dorf. Weit und breit keine Touristen mehr und nur staunende Inder, die einem mit offenem Mund anschauten und winkten. Leider war die Freude nur von kurzer Dauer, den meine Pedale machte schlapp. Es sah eigentlich so aus, als hätte die Pedale den Zwischenfall beim Umzug schadlos überstanden. Dem war leider nicht so und nun hatte es das Gewinde komplett zerstört. Ich merkte es einfach zu spät und nun hielt die Pedale nicht mehr. Es blieb uns nur der Rückweg mit der Fähre nach Mumbai um da für Ersatz zu sorgen. 
 
Das dabei um ein Haar die Fähre gekentert wäre hätte zu diesem Tag gepasst. Mit einer Hand hielten wir das Rad fest und mit der anderen klammerten wir uns an einen Pfosten. Der Kapitän war mit zu viel Kraft in zu hohe Wellen gefahren. Das Boot schaukelte bedrohlich, Wasser schwappte über und die Angst war allen Passagieren ins Gesicht geschrieben. Auch dem Kapitän war nicht ganz geheuer, den er fragte Mättens ob niemand von Board gefallen sei. Obwohl alles gut ging hatten wir natürlich immernoch das Problem mit der Pedale.
 
Schnell fanden wir aber ein Viertel, wo es einige "Radshops" gibt. Mit viel Optimismus klapperten wird jeden Laden ab, aber leider konnte uns keiner das passende Ersatzteil auftreiben. Dies ist der Nachteil wenn man mit einem modernen Rad in fernen Länder unterwegs ist. Wir entschieden uns das kaputte Teil nachschicken zu lassen. Allerdings wollten wir bis dahin nicht in  Mumbai bleiben sondern mit einem Provisorium bis nach Goa kommen. Also gaben wir eine Adresse in Goa an, wo simpel.ch das Teil hinschickte. (An dieser Stelle herzlichen Dank an das simple.ch Team für den tollen und schnellen Service) Man hatte uns in der Zwischenzeit einen Schweisser empfohlen der die Pedale anschweissen sollte. Trotz zwei Versüchen hielt die Pedale nicht, so probierten wir es auf eigene Faust mit einem zwei Komponenten Leim. Tatsächlich es schien zu halten und die Probefahrt gelang. Also machten wir uns am nächsten Tag wieder auf zur Fähre und setzten über.
 
2. Versuch
 
Natürlich war der Leim nicht die richtige Lösung und die sehr schlechte Strasse wirkte nicht unbedingt positiv auf unser Gebastel. 15 km weit kamen wir immerhin und standen nun wieder vor demselben Problem. Im Nachhinein ziemlich naiv wie wir es riskiert hatten in dieses abeglegene Gebiet zu fahren mit dem Provisorium.:) Aber auf diese Weise lernten wir das handwerkliche Geschick der Inder kennen. Wir fanden eine Werkstatt die uns ein neues Gewinde hinzauberten und mit selbgebastelten Werkzeugen meine Pedale fixierten. Wir waren beide ziemlich erstaunt, den es schien nun wirklich stabil zu sein. Endlich konnten wir, besonders ich, mit einem guten Gefühl weiterradeln. 
 
Die nächsten zwei Tage waren wahnsinnig toll und abwechlungsreich. Wir kamen durch total abgelegene Dschungelabschnitte, durch kleine Fischerdörfer, setzten mit kleinen Fähren über die Flüsse über und hatten viele interessante Begegnungen. Die Leute waren sehr freundlich und enorm interessiert. Sie bekomen wahrscheinlich nur sehr selten zwei Radfahrer mit Gepäck zu Gesicht:) Die Monsunzeit war fast zu Ende, wir wurden nur ein einziges Mal so richtig verregnet. Ansonsten kam der Regen jeweils erst am Abend wenn wir bereits eine Bleibe gefunden hatten. Das Zelt braucht man defintiv nicht, es gibt überall günstige Unterkünfte. Aber es ist von Vorteil wenn man einen Seidenschlafsack und ein eigenes Reisekissen dabei hat. Man kann nicht erwarten, das das Bettzeug nach jedem Gast gewechselt wird ;)
 
So kamen wir immerhin 200 km weit bis sich mein Sorgenkind, die Pedale wieder meldete. Es sah so lange so gut aus, aber die sehr schlechte Strasse machte uns einen Strich durch die Rechnung. Manchmal war es auch mehr ein Loch mit ein wenig Strasse dazwischen als umgekehrt :) Auf jedenfall waren noch 20 km zu absolvieren bis zum nächsten Ort. Mit Kabelbinder fixierten wir die Pedale, sodass ich immerhin ein bisschen Antrieb geben konnte. Aber es war auf gut Deutsch gesagt einfach scheisse. Die Entscheidung, das wir von hier den Zug oder Bus nehmen war schnell gefallen. Im Dunkeln erreichten wir die Stadt und fanden immerhin bald ein Hotel. Am nächsten Morgen wollten wir den Transport dann organisieren.
 
Zuerst haben wir die Räder in einem privaten Bus verladen, der uns zum 40 km entfernten Bahnhof brachte, zu einem für indischen Verhältnisse Wucherpreis. Wir konnten die CHF 20.- aber verkraften in unserer Situation :) Der Fahrer hätte uns gerne auch ins 500 km entfernte Goa gefahren, aber uns war das zu eng im kleinen Laster. Am Bahnhof wurden wir dann regelrecht von Jugendlichen belagert, die alle einmal Händeschütteln und dann ein Foto machen wollten. Irgendwie skurill, aber wir machten den Spass gerne mit. Die Zugfahrt dauerte dann anstatt den versprochenen 4 h gleich das Doppelte, aber sie war es wirklich wert. Wir beide waren begeistert, den bei den Zügen bleiben die Türen offen und man kann sich hinauslehnen und den Fahrtwind geniessen. Am Anfang war der Zug gerappelt voll, aber bald einmal waren nur noch wenige im Abteil. Trotzdem setzten wir uns stundenlang an der Türe hin und schauten hinaus ins Land. Wunderbar um zu geniessen und ein wenig zu träumen, und mir wurde wieder bewusst wie schön es doch ist unterwegs zu sein.
 
Am Abend erreichten wir Goa, der Distrikt der für die Bilderbuchstrände bekannt ist. Während der  Fahrt blätterten wir in unserem Reiseführer und planten die nächsten Tage. Erste Priorität hatte das Ersatzteil für mein Rad und danach wollten wir nach Hampi fahren bevor dann relaxen an den Traumstränden anstand. Das Auftreiben des Pakets kostete dann nochmals ziemlich viele Nerven und einiges an Geduld. Aber Tatsächlich hielt ich das Ersatzteil nach einigen Stunden Wartezeit in den Händen. Die Reperatur war dann eine kleine Sache und somit war das Rad tatsächlich wieder reisebereit! Was für ein Glückgefühl! :)
 
Trip nach Hampi
 
Bevor wir aber das Rad nun wieder benutzen wollten stand der Trip nach Hampi auf dem Programm. Hampi ist ein riesiges Gelände auf dem viele Tempel und Ruinen zu besichtigen sind. Mit dem Sleeperbus legten wir die 8 h Fahrt zurück und kamen frühmorgens nach wenig Schlaf im kleinen Örtchen Hampi an. Begrüsst wurden wir von einer Horde Rikschafahrer die sich fast die Köpfe enschlugen um uns als Kunden zu gewinnen. Der Glückliche der uns zum Guesthouse bringen durfte bekam sagenhafte 10 Rupien (18 Rappen) und wahrscheinlich eine Provision :) Mit drei Deutschen, die wir bereits im Bus kennengelernt hatten, machten wir uns auf Erkundugstour. Ich fand jedoch mehr gefallen an den vielen Affen die herumturnten als an den Tempeln und Ruinen, aber es hat sich auf jedenfall gelohnt hierher zu fahren. Wir bestiegen noch einen Hügel, von wo man ein prima Aussicht hat auf die wunderschöne Landschaft. Am Abend genossen wir einmal mehr die fantastische Indische Küche, einfach traumhaft.
 
Am zweiten Tag machten wir uns frühmorgens auf um nochmals auf den Hügel zu steigen um den Sonnenaufgang zu sehen. Es hat sich defintiv gelohnt, wir waren die Einzigen mit Ausnahme einer Horde Affen. Die Bananen waren eigentlich für uns als Frühstück gedacht, aber so eine Fütterung machte mehr Spass :) Eine Letzte versteckte ich im Hosensack, aber ein besonders frecher merkte dies. Er näherte sich so nah, bis er mir durch die Hose in die Banane biss. Sauaff ;) Mit einem Roller erkundeten wir am Nachmittag die diversen Tempel, aber irgendwann hatten wir genug davon. Auf dem Dachrestaurant zu sitzen, frisch gepresste Fruchtsäfte zu trinken und dabei den Affen zuzuschauen machte deutlich mehr Spass. 
Wir hatten noch einen lustigen dritten Tag in Hampi mit den drei Deutschen bevor uns dann unser Bus zurück nach Goa, genauer gesagt nach Margao brachte. Unsere Räder konnten wir während dem Hamptrip im Hotel unterstellen und dort fanden wir sie auch wieder unversehrt vor. Mittlerweile ist die Hälfte unserer Indien Reise schon vorbei, aber dafür standen nun einige Tage an den Traumstränden auf dem Programm.
 
Denn Bericht zum zweiten Teil der Reise wird Mättens dann verfassen. Ich habe nun einiges geschrieben, hatte ich doch auch Zeit auf der 23-stündigen Zugfahrt von Mangalore zurück nach Mumbai. Bilder folgen dann auch noch, aber das dauert wohl noch ein wenig. Die Auswahl wird schwer fallen bei so vielen tollen Eindrücken :) 
 
Bis bald und liebe Grüsse
 
Zimel
 
Mumbai, 30.10.2012


Indien, the 2nd story

Goa - Strand und mehr(brise)

Zurück von Hampi verweilten wir eine Nacht in Margao, lernten auf der Dachterrasse des Hotels weitere Traveller kennen mit denen wir auf die tollen Dinge von Indien mit Bier anstossten. Am nächsten Morgen nahmen wir fahrt Richtung Strand auf, es dauerte eine Weile bis wir ihn erreichten, es haperte früh Morgens etwas am Orientierungssinn. Nach der 30km langen Irrfahrt erblickten wir den feinen weissen Sandstrand, der uns ein paar Minuten innehalten liess und das Desasterstrandbild von Mumbai korrigierte. Wir badeten ausgiebig und ich wurde für ein Fischerboot zu wassern von Locals hergerufen. Mit anderen Strandgängern wurde das Boot mit vereinten Kräften ins Wasser geschoben, der Fischer war glücklich und tuckerte Richtung Horizont davon. Gestärkt nach dem Mittagessen suchten wir im nächsten Ort Agonda ca. 40km weiter südlich ein Strandbungalow. Der Reiseführer versprach Bungalows direkt am Strand und eine gemütliche Atmosphäre. Wir wurden nicht enttäuscht, residierten wir in einem Resort mit westlicher, indischer Feinkost, Bier, zwei reizenden Däninnen und Meerblick :-) Das hatte für indische Verhältnisse seinen Preis, doch wollten wir die Pedalenprobleme ausgiebig verarbeiten und das gelingt an solchen Orten besonders gut. Tagesprogramm: Morgens Bodysurfen, Frühstücken dann mindestens eine Stunde studieren was man als nächstes tun soll und sich wundern warum schon wieder das Nachtessen ansteht. Ausser in unserem Resort war der Ort ein verschlafenes Nest das erst im November wenn Hochsaison ist aufblüht. Tagsüber zimmerten die meisten Anwohner in ihren Vorgärten die Bungalows für die Touris zusammen, die müssen jeweils nach Saisonschluss abgebrochen werden, so will es das Government und beugt mit dieser Massnahme dem masslosen Überbauen der Strandregion vor. Eine gute Taktik.
Die Seele baumelte vor sich hin und wir entschieden uns für einen Ortswechsel. 10km weiter in Palolem verweilten wir weitere Tage. Genossen die Meerbrise, schlugen uns die Bäuche voll und amüsierten uns am lebendigen Strandtreiben. Fischer, Kühe, Touristen, hangengebliebene ehemalige Touristen, Hunde und Cricketspiele zeichneten das Strandbild. Nach drei weiteren traumhaften Sonnenuntergängen packten wir unsere 7 Sachen und radelten weiter. Die Strassenverhältnisse besserten sich, die Atemluft war vermischt mit Russ und Staub. Trotzdem freuten wir uns wieder unterwegs zu sein, nachmittags erschöpft eine kühle Cola zu trinken und sich dabei über den Kilometerstand zu unterhalten. Unterwegs wird gehupt, wir Grüssen zurück, weichen Schlaglöcher aus und lassen die Landschaft vorbei ziehen. Genächtigt wird meist in kahlen Zimmern. Eine kalte Neonröhre bringt Licht ins dunkle, warm Wasser fehlt oft, wird auch nicht gebraucht bei diesen Temperaturen und von einem Lattenrost kann nur geträumt werden. Ein Zimmer dieser Art beherbergte uns in Gokarna, einem Pilgerort für Hindus. Viele Gläubige waren in den Strassen unterwegs, die eine der zwei grossen Tempelanlagen in der Dorfmitte aufsuchten. Meist wird zu den Göttern Shiva oder Vishnu gebetet, denen Opfer in Form von Speisen gebracht werden, die anschliessend an Arme und Bedürftige verteilt werden. Wir beobachteten noch ein Tag das Treiben im Ort, packten am nächsten Morgen zusammen und genossen eine Fahrt durch Bauerndörfer, die uns ein Anblick auf einen mittelalterlichen Lebensstil boten. Irgendwie ist die Zeit hier stehen geblieben und doch besitzt fast jeder halb erwachsene Inder ein Mobiltelefon.

The smart Indians

Jogg Falls heissen die zweit höchsten Wasserfälle in Indien, über die nach Regenfällen oder dem Monsun unglaubliche Wassermassen 480m in die Tiefe stürzen. Wir erblickten ein kahle Felswand und stellten uns das Tosen des Wassers mehr oder weniger vor. Spannender empfanden wir die Anreise per Discorikscha, mit > 90dB Musik direkt neben unseren Trommelfellen bretterten wir mit zwei Inder 60km über eine Schlaglochpiste, genossen den vorbeiziehenden Dschungel und spektakuläre Ausweichmanöver mit dem Gegenverkehr, Abenteuer pur, eine der vielen indischen Reisearten par excellence.
Nach weiteren Kilometern Velofahrt zwischen Lastwagen, Rikschas und Kühen braucht der Körper wieder etwas Balsam und eine Möglichkeit sich von der klebrigen Schmiere aus Sonnencreme, Abgasen und Schweiss zu befreien. Ratet mal wo unser nächster Halt war? Na klar Strandhütte mit Meerblick und Ananasjuice für ein Schweizer Trinkgeld. Etwas anderes ist in Goa schwer zu finden ;-)
Wir beobachteten gespannt die indische Badekultur. Unterhosen sind Badehosen, wer zu Faul ist oder wenn aus religiösen Gründen die Kleider nicht ausgezogen werden können, dient der ganze Dress als Badeanzug und zugleich als Sonnenschutz - The smart Indians as usual :-) Im späteren Nachmittag zogen dunkle schwarze Gewitter Wolken auf, die von Blitzen durchzogen wurden, Simon und ich verliessen das Wasser. Das Jauchzen und Schreien was mit einem indischen Bad im Meer hergeht, dauerte weiter an, kein Inder dachte auch nur annähernd daran von der Natur etwas zurück zu treten und sie genossen das Plantschen weiterhin in vollen Zügen. Wenn so ein Monsun Gewitter vorüberzieht, lässt dies meist für kurze Momente die Stromversorgung aussetzen, kein Wunder wenn man ein Blick auf die wäscheleineartigen Elektroinstallationen wirft.


Und zum Schluss

Mangalore ist nun nicht mehr weit, für uns zwei drei Pedalen Umdrehungen und schwupp stehen wir nach ca. 700km am Bahnhof von Mangalore, gedanklich noch nicht ganz angekommen, wenigsten bis anhin ohne platten Reifen. Wir checken im Hotel TownGate ein, überprüften den Satellitenempfang für das Fernsehgerät und klatschten kühles Wasser in die Gesichter, welch eine Erfrischung die man nicht missen möchte nach dem Radeln. Die Zugtickets organisierten wir am nächsten Tag. Etwas verwundert forderte der Schaffner eine Kopie eines gültigen Ausweises für die Ticketreservation. Die Kopie bekamen wir in einem XEROX Center unweit vom Bahnhof entfernt.Ein XEROX Center beherbergt ein Kopiergerät und ein oder zwei Angestellte die ihren Lebensunterhalt mit dem Anfertigen von Kopien jeglicher Art verdienen. Die Kopie meiner abgelaufenen ID wurde als gültiges Dokument anerkannt, der Zugreise nach Mumbai stand somit nichts mehr im Wege. In Mangalore besuchten wir Märkte, spielten Bowling in einer Shoppingmall und träumten im regen Treiben in den Gassen und Strassen dieser für uns hektischen Stadt vor uns hin. Man sitzt wie in einem grossen Kino, die Kulisse und Akteure wechseln ständig, Pausen gibt es keine und die Langeweile ist ein Fremdwort. Am folgenden Tag rollte die von einer Diesellok angetriebene Zugskollektion Richtung Mumbai. 23h dauerte das Schienenabenteuer. Wir beide fanden sogar etwas Schlaf auf einer Pritsche unter dem Dach unseres Sleeper-Wagons. Gegen Morgen früh, steigen dann die ersten Händler zu, die feinen Chaitee, Samosa oder andere fritierten Backwaren anbieten. Der Verkauf geht ziemlich zügig, da manch ein Stopp nur wenige Minuten dauert. Die ersten Baustellen der Agglomerationen von Mumbai, deuteten auf die baldige Ankunft in der millionnen Metropole. Ein Mitreisender erzählte vom ständigen Wachstum der Stadt, und beklagte sich über Verschmutzung und Lärm. Kein Wunder, täglich steigt die Bevölkerungszahl an, den viele hoffen auf eine bessere Zukunft in der Stadt. Wir verweilen in einem Hotel nahe des Bahnhofs und werden beim einchecken mit den dreimal höheren Stadtpreisen konfrontiert. Man zahlt und vergisst ;-) Wir sammeln Kräfte für die Rückfahrt zum Flughafen und nehmen an einer Hafenbesichtigungstour teil. Nach 45 Minuten Wartezeit röchelt der Motor und wir halten Kurs Richtung Hafenanlage. Es folgt eine Schleife auf dem offenen Meer und der Kahn steuert wieder den Hafen an. Die Schiffe wirkten aus ca. einer Seemeile Entfernung keineswegs pompös und der Puls schnellte kaum in die Höhe. Bei Ankunft schmunzeln wir beide und mit Kopfschütteln tragen wir es unter "The Shortest Indian Tourist Attraction" ein. Am nächsten Morgen satteln wir die Drahtesel und pedalten Richtung Airport. Ich setzte Ohrenpax ein, das ist für den innern Frieden ganz angenehm und das Hupen prallt einfach an diesen gelben Stöpseln ab, wie praktisch. Im Verkehrschaos kam mir ein Scooterfahrer zu nahe und riss mir beim Streifen noch eine Seitentasche ab. Janu, nichts schlimmeres passiert ausser einem Erlebnis mehr und sich wieder bewusst wer der Stärkere ist :-) Kurz vor dem Hotel wo Simon die letzte Nacht vor der Weiterreise verbringen wird, legte ich noch eine indische Baustelle lahm. Tatsächlich verlor mein Hinterrad Luft und das 500m vom Ziel entfernt. Grrrr. Ich wollte die Reparatur im Vorhof des Hotels vornehmen, doch mit soviel Gewicht lässt sich das Rad nicht mehr schieben ohne die Felgen zu demolieren. Somit wurde der Pneu an Ort und Stelle vor einer Baustelle ersetzt. Schaufel und Pickel wurden niedergelegt und geglotzt. Das dauerte ca. 15 Minuten und amüsierte mich so wie die Arbeiter die eigentlich eine Brücke fertigstellen sollten :-) Die letzte 500m Etappe verlief dann ohne grösseren Probleme, das Ziel war erreicht. O Wunder, unsere Velokartons wurden unversehrt aus dem Hotel getragen, welch ein Glück, so wurde uns das Umherirren in Mumbai auf der Suche nach Karton erspart.
Die Velos sind verpackt, der Satellitenempfang im Zimmer geprüft, wir frisch rasiert und das Ankunftsbier mit der letzten Story wartet schon. Auf der Suche nach einer Baar führte uns ein etwas verwirrter Inder in eine Spelunke. Wir bedankten uns für seine Hilfe und wir zwei freuten uns auf ein kühles King Fischer. Wir merkten bald dass auch er durstig war. Er folgte uns auf Schritt und Tritt und setzte sich an unseren Tisch, bestellte Chips und Bier und bezahlen durften wir ;-) Er hat seine Chance genutzt und wir kurz gestutzt.

Es folgte die Verabschiedung und gegen halb zwölf brachte mich das Taxi zum Flughafen wo ich nach einer Stunden die Sicherheitsschleusen passiert und jeglichen Indern mein Flugticket vorgewiesen habe. Die letzten Rupien investierte ich in Chaitee und verfiel kurz nach dem Start in einem tiefen Schlaf. Nach weiteren Stunden Flugzeit und einmal Flugzeug wechseln in London, erblickte ich den verschneiten Säntis. Mich empfing warmes Wetter und musste das im Koffer mitgeführte sonnige Wetter nicht einmal auspacken ;-) Simon flog einen Tag später nach Singapore, wo er die nächsten Tage mit Betty verweilt und die beiden sicher wieder mehrere Stunden am Tag Zeit haben um zu überlegen was sie den als nächstes tun sollen oder wollen…


Gruäss Matthias

16. November 2012, Frauenfeld